Die Alzheimer-Krankheit zählt vermutlich zu der bekanntesten Demenzerkrankung, trotzdem sind die genauen Ursachen bislang unbekannt. Weltweit ist Demenz die fünfthäufigste Todesursache in der alternden Bevölkerung, etwa 70 Prozent der Fälle macht die Alzheimer-Krankheit aus. Seit 1984 besteht die Hypothese, dass bestimmte Protein-Ablagerungen im Gehirn zu den Symptomen der Erkrankung beitragen. Neue wissenschaftliche Erkenntnis zeigen einen Zusammen zwischen der bekannten Hypothese und der Zahngesundheit des Alzheimer-Patienten: Studien belegen, dass eine Parodontitis das Alzheimer-Risiko erheblich erhöht.
Von Anastasia Johlen
Das menschliche Gehirn ist ein komplexes Nervensystem, das aus über 100 Milliarden Nervenzellen (Neuronen) besteht. Welches über Kontaktstellen, den sogenannten Synapsen, miteinander verbunden ist. Von den Neuronen werden ständig Informationen und Reize verarbeitet. Mithilfe von Botenstoffen werden diese Informationen von Nervenzelle zu Nervenzelle weitergeleitet und abschließend in dem jeweiligen Gehirnareal verarbeitet. Ein gesundes Gehirn ist sehr leistungsfähig und kann in der Regel neues lernen und schwierige Probleme lösen. Der Mensch kann nachdenken, fühlen und sich erinnern.
Im Gehirn von Alzheimer-Patienten finden Entzündungsprozesse statt, die denen einer Infektion ähneln. Nach und nach sterben immer mehr Nervenzellen ab, weshalb Patienten an Gedächtnisverlust und Orientierungslosigkeit leiden. In der Regel sind bei der Alzheimer-Krankheit zunächst die Synapsen betroffen, dadurch ist die Kommunikation zwischen den Neuronen beeinträchtigt; es kommt zu Störungen. Dadurch können Informationen nicht mehr verarbeitet und weitergeleitet werden.
Im Laufe der Erkrankung führt das Absterben ganzer Nervenzellen zu einem fortschreitenden Abbau der geistigen Fähigkeiten. Einmal abgestorbene Neuronen können nicht wieder ersetzt werden. Dieser Verlust äußert sich durch die genannten Symptome, wie Gedächtnisschwierigkeiten bis hin zur Betreuung und Pflege im Alltag.
Bei der Alzheimer-Krankheit handelt es sich um eine fortschreitende Erkrankung, welche zu einem zunehmenden Verlust der geistigen Fähigkeiten und Hirnfunktionen führt. Alzheimer-Patienten sind irgendwann nicht mehr in der Lage, für sich selbst zu sorgen. Die Betroffenen sind auf eine dauerhafte Pflege und Betreuung angewiesen.
Die Alzheimer-Krankheit ist sehr komplex und die genauen Ursachen des Hirnabbaus sind noch unklar. Dennoch steht fest, dass zwei verschiedene Eiweißablagerungen charakteristisch für die Erkrankung sind: Beta-Amyloid-Plaques und Tau-Fibrillen.
Seit Jahrzehnten wird in Sachen Behandlung der Alzheimer-Krankheit geforscht, bisher ohne Erfolg. Einige Wissenschaftler stellen die sogenannte Amyloid-Hypothese, Eiweißablagerungen im Gehirn, in Frage und sehen diese nicht als Ursache für die Erkrankung. Es würden nicht ausreichend Daten existieren, welche handfest beweisen, dass die Protein-Ablagerungen eine zentrale oder einzigartige Rolle bei Alzheimer spielen.
Doch möglicherweise gibt es neue Entwicklungen in der Alzheimer-Forschung, welche einen entscheidenden Faktor bei der wirksamen Behandlung dieser Krankheit spielen könnten: Ein spezielles Bakterium, das an einer Zahnfleischerkrankung beteiligt ist, soll zu den Ablagerungen im Gehirn führen.
Zahnfleischerkrankungen zählen zu einem bekannten Risikofaktor, beziehungsweise zeigten bereits frühere Studien einen engen Zusammenhang zwischen einer Parodontitis und kognitiven Beeinträchtigungen. Mediziner konnten beobachten, dass Alzheimer-Patienten besonders häufig an Parodontitis leiden. Doch gibt es tatsächlich einen direkten medizinischen Zusammenhang zwischen einer Parodontitis und der Alzheimer-Krankheit?
Bereits im vergangenen Jahr belegt die Studie der University of Illinois in Chicago im Magazin PLOS ONE, dass Parodontitis Alzheimer auslösen kann. Die Forschungsergebnisse belegen, dass Parodontitis-Bakterien im Gehirn zur Bildung der alzheimertypischen Ablagerungen im Gehirn führen können. Bekannterweise sind die Ablagerung an dem krankhaften Prozess der Alzheimer-Krankhaft beteiligt und beschleunigen diesen.
Anhand von Versuchen an Mäusen wurde deutlich, dass die Gehirne von Mäusen, welche an Parodontitis litten, typische Entzündungsprozesse und Beta-Amyloid-Ablagerungen im Gehirn zeigten. Zusätzlich hatten diese Mäuse weniger inaktive Nervenzellen, als die Mäuse ohne Parodontitis.
Die Forschung „Chronic oral application of a periodontal pathogen results in brain inflammation, neurodegeneration and amyloid beta production in wild type mice“ samt Materialien, Methoden und Ergebnissen finden Sie auf Englisch unter folgendem Link: ournals.plos.org
Ein weiteres Forschungsteam kam zu denselben Erkenntnissen, sodass mehrere Teams unabhängig voneinander, dieselben Resultate aufzeigen. Die Mutmaßungen über einen direkten medizinischen Zusammenhang zwischen Parodontitis-Errgern und der Alzheimer-Krankheit können so wissenschaftlich belegt werden.
Das privatwirtschaftlich finanzierten Forscherteam der Firma Cortexyme Inc. Aus South San Francisco bestätigt ebenfalls Ende Januar 2019 den bereits oft wissenschaftlich geäußerten Verdacht, dass ein Zusammenhang zwischen Parodontitis-Bakterien und der Alzheimer-Krankheit besteht: Im Hirngewebe von verstorbenen und in der Gehirnflüssigkeit lebender Alzheimer-Patienten finden sich immer Spuren, beziehungsweise DNA-Material, von dem Parodontitis-Erreger Porphyromonas gingivalis. Weiterhin zeigten Tierversuche dieselben Ergebnisse, wie die Studie der Universität Illinois in Chicago von Oktober 2018. Gesunde Tiere wurden über sechs Wochen lang mit Parodontitis-Erregern infiziert, anschließend konnten im Mäusehirn Bakterien, ihre Toxine und eine erhöhte Zahl abgestorbener Nervenzellen mit für Alzheimer typisch wachsenden Beta-Amyloid-Ablagerungen nachgewiesen werden.
Demnach könnte der Parodontitis-Erreger Porphyromonas gingivalis ein bislang vernachlässigter Auslöser der Alzheimer-Symptome sein.
Es ist bekannt, dass der Erreger Porphyromonas gingivalis (P.g.) aus größeren Infektionsherden auch in andere Regionen des Körpers wandern kann. Der Keim P.g. ist der Leitkeim für schwere und aggressive Formen der Parodontitis und für den Verlust von Zähnen verantwortlich.
Der Keim produziert bestimmte Protein zersetzende Enzyme, die Gingipaine, und greift dadurch das Gewebe an. Weiterhin beeinflusst dieser viele Immunabwehrmechanismen. Die Gingipaine zerstören das körpereigene Zytokin-Alarmsignal und verhindern dadurch die gegen Bakterien gerichteten Abwehrprozesse.
Gelangt der Keim ins Gehirn, greift dieser dort vermutlich Tau-Proteine an. Infolgedessen könnte dies zu einer Überproduktion des Tau-Proteins kommen, wodurch das alzheimertypische Tau-Plaques gefördert wird. Die Symptome der Alzheimer-Krankheit kommen auf: Gedächtnisprobleme, verminderte geistige Funktionsfähigkeit bis hin zur Abhängigkeit von Betreuung und Pflege im Alltag.
Durch eine hohe Produktion des Tau-Plaques entstehen die charakteristischen Tau-Ablagerungen der Alzheimer-Krankheit im Gehirn. Diese könnten jedoch durch ein Abfangen der Gingipaine reduziert werden. Dies belegte jedenfalls ein weiteres Tierexperiment: Gingipain-Blocker und Bakterien tötende Antibiotika wurden in das Gehirn injiziert und schützten die infizierten Mäuse vor den negativen Folgen des aggressiven Parodontitis-Erregers.
Die vollständige Studie „Porphyromonas gingivalis in Alzheimer’s disease brains: Evidence for disease causation and treatment with small-molecule inhibitors“ (Januar 2019), unter anderem unter Federführung von Stephen S. Dominy, finden Sie auf Englisch unter dem folgenden Link: advances.sciencemag.org
Fraglich bleibt, inwiefern diese wissenschaftlichen Erkenntnisse und Erfolge auf den Menschen übertragbar sind. Laufen ähnliche Prozesse beim Menschen ebenso positiv ab? Kann in Zukunft möglicherweise ein Gingipain-Blocker als Wirkstoff gegen Alzheimer-Symptome eingesetzt werden? Können die Symptome der Alzheimer-Krankheit wohl möglich gestoppt werden?
Fest steht das diese Ergebnisse und Erkenntnisse hypothetisch zeigen, dass die Alzheimer-Krankheit eine missglückte Reaktion des Gehirns auf eingedrungene Erreger ist. So gelten die Parodontose-Erreger nicht als direkte Ursache der Alzheimer-Krankheit, jedoch sind sie erheblich an der Entstehung der typischen Symptome beteiligt. Kleine Entzündungsherde im Körper haben also eine tragende Rolle bei der Entstehung von Alzheimer.
So bleiben nicht nur die Prophylaxe und Prävention für die Zähne ein wichtiger Bestandteil der menschlichen Gesundheit, sondern auch die Vorsorge für den restlichen Organismus.